Das 1x1 der Würfelkunde

Von Amethyst inspirierte Würfel © Sandra Scholz

Viel braucht es nicht, um mit "Dungeons and Dragons" und generell den meisten Pen and Paper Systemen anzufangen. Ein Charakterbogen, ein Notizblock, Bleistift und ein Set aus Würfeln, und schon kann der Spass losgehen. Aber wozu gleich so viele verschiedene Würfel, und was hat es mit dem ganzen Fachvokabular rund um Würfel auf sich? Nach diesem Beitrag kennt ihr euch bestens aus, versprochen!

Machen wir zu Beginn einen Ausflug zurück in die Schulzeit, genauer gesagt in den Mathematikunterricht. Keine Angst, es wird alles leicht nachvollziehbar. Wenn ihr euch im Internet auf die Suche nach Würfeln begebt, dann werdet ihr vor allem im englischsprachigen Raum auf "polyhedral dice sets" stossen. Im Matheunterricht kam das auch schon vor, das gute, alte Polyeder. Polyeder sind im dreidimensionalen Raum ansässige Teilmengen, die durch gerade Flächen begrenzt werden. Oder anders gesagt: Würfel, Quadrate, Pyramiden oder diese Kuppeln, die aus unzähligen Dreiecken zusammengesetzt sind. Jeder kompakte Raum also, der nicht in irgendeine gebogene Fläche gesteckt wurde. Kreise und Kegel sind beispielsweise nicht polyhedral, weil sie gebogene Aussenflächen aufweisen.

Unsere polyedrischen Freunde, die Würfel, kommen dabei in ganz unterschiedlichen Formen daher. Sicher kennen die meisten von uns den sechsseitigen Würfel aus verschiedenen Brettspielen. Es gibt aber auch Würfel mit vier, acht, zwölf oder 20 Seiten. All diese kommen in "Dungeons and Dragons" vor. Üblicherweise wird beim erwähnen von Würfeln nicht jedes Mal "zwanzigseitiger Würfel" voll ausgeschrieben oder ausgesprochen. Stattdessen kürzt man ab: W20 im deutschen, D20 im englischen (das D steht für dice).

Im Spiel werden sie für die unterschiedlichsten Dinge benötigt. Dein Charakter möchte beim Händler den Preis nach unten drücken? Würfle mit einem W20 um zu schauen, ob das Glück dir gewogen ist. Dein Krieger will dem Ork mit seiner Axt den Schädel spalten? Würfle zunächst aus, ob du ihn überhaupt triffst, und dann würfel um zu schauen, wie viel Schaden du anrichtest. Würfel bringen den Faktor des Unbekannten mit in das Spiel. Ohne sie würde man einfach nur gemeinsam eine Geschichte erzählen. Mit den Würfeln ist der Ausgang beinahe jeder Aktion ungewiss, so wird es niemals langweilig.

Ganz grob lässt sich folgendes sagen: der W20 wird benutzt, um Fertigkeits-, Angriffs-, Zauber- und Rettungswürfe abzulegen. Je nachdem werden noch Modifikatoren auf das Würfelergebnis gerechnet, um eine finale Zahl zu haben. Diese kann darüber entscheiden, ob man erfolgreich an den Wachen vorbeischleicht, ob der magische Angriff trifft oder ob man Gift widersteht. Er ist sicherlich der Würfel, der am häufigsten benutzt wird. An sich reicht es aus, einen zu besitzen. Manchmal braucht man zwei W20, um mit Vor- oder Nachteil würfeln zu können und entweder das höhere oder das niedrigere Ergebnis zu verwenden.

Die anderen Würfel werden in 99% aller Fälle exklusiv dazu benutzt, Schaden auszuwürfeln. Ein pyramidenförmiger W4 symbolisiert dabei kleine Waffen oder einen Angriff mit den Fäusten. Ein W12 ist vielleicht ein Angriff eines Hexenmeisters mit seinem Schaurigen Strahl oder der beidhändig geschwungene Kriegshammer des Barbaren. Mit aufsteigender Stufe der Charaktere oder mächtigeren Zaubern steigt oftmals die Anzahl der Würfel. Schauen wir uns als Beispiel den beliebten Zauber "Feuerball" an, der von Haus aus auf dem dritten Grad verfügbar ist. Dort richtet er im besten Fall 8W6 Feuerschaden an, der Zaubernde darf also insgesamt mit 8 sechsseitigen Würfeln werfen, um den Schaden zu ermitteln. Für jeden höheren Grad nimmt man einen weiteren W6 dazu. Es wird also schnell so richtig knusprig für die Gegner (und für alle, die im Wirkungsbereich stehen). So viele Würfel auf einmal werfen zu können ist ein ziemlich gutes Gefühl und sicher einer der Gründe, wieso viele Spielende dazu neigen, mehrere Würfelsets zu sammeln. Nebenbei sehen die natürlich auch noch schick aus und befriedigen diesen inneren Sammlertrieb.

Ein Sonderling ist der sogenannte W100. Es gibt einerseits riesige Würfel, die tatsächlich 100 verschiedene Seiten haben. Für die meisten Tische ist das aber etwas unpraktisch einen Würfel, der die Grösse eines Golfballs besitzt, zu werfen. Stattdessen gibt es zwei übliche Methoden, um auf einer Skala von 1 bis 100 zu würfeln. Die erste wäre, zwei reguläre W10 zu nehmen. Im Vorfeld legt man fest, welcher Würfel die erste und welcher die zweite Stelle zeigen soll. Man würfelt eine 5 und eine 7: Das Ergebnis ist 57. Es gibt auch W10, die stattdessen in Zehnerschritten bedruckt sind, ihr seht einen solchen oben im Bild. Das Prinzip bleibt das gleiche: Eine 70 und eine 8 ergeben einen Wurf von 78. Hier ist nur wichtig, dass ihr euch im Vorfeld darauf einigt, welches Ergebnis eine 100 darstellt. Eine 1 und die beiden Nullen? Nullen auf beiden Würfeln? Theoretisch ist die einzelne Null auf dem W10 allerdings die heiss ersehnte 10. So wäre eine 90 auf dem einen und eine Null auf dem anderen Würfel eine 100. Diskutiert das in eurer Runde im Vorfeld, damit alle auf die gleiche Weise würfeln.

Gebraucht wird der W100 unter anderem von Klerikern für ihre Göttliche Intervention. Für den im wahrsten Sinne des Wortes Göttlichen Eingriff in das Spielgeschehen müssen sie mit dem W100 eine Zahl unter ihrer Stufe erwürfeln. Eine kleine Chance, die allerdings einen riesigen Effekt haben kann. Als Spielleiter benutze ich den W100 auch gerne, um Kuriositäten aus Tabellen zu erwürfeln, die ich den Spielern zukommen lasse.



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