Die drei Bücher, mit denen man alle Basics abgedeckt hat © Sandra Scholz |
Eure Gruppe hat sich gefunden und würde am liebsten jetzt sofort ins nächste Abenteuer stürzen. Abgesehen davon, dass ihr zunächst einmal Charaktere erstellen müsst, bietet es sich an, die Erstellung mit einer so genannten Session Zero zu verbinden.
Session Zero ist die Möglichkeit für euch als Gruppe, eure Erwartungen an das Spiel festzuhalten. Regeln am Tisch und im Umgang miteinander, die Welt eurer nächsten Kampagne, Hausregeln und sensible Themen, die vielleicht keinen Platz an eurem Tisch haben sollten: Session Zero ist die ideale Gelegenheit, über all diese Themen zu sprechen. Dieser Artikel soll euch einige Anhaltspunkte geben, über die ihr euch als Gruppe einig werden könnt. Das mag zunächst trocken und bürokratisch anmuten, erspart euch im besten Fall aber unschöne Streitereien oder schockierte Spieler am Tisch.
Erfahrung sammeln und Level aufsteigen
Sammelt die Gruppe Erfahrung / XP für jedes Monster, welches sie töten, oder steigen sie Stufen auf, wenn sie bestimmte Meilensteine im Abenteuer erreichen? Die XP für Monster findet ihr jeweils im Monsterhandbuch, Tipps für das Leveln mit Meilensteinen sind im Handbuch für Dungeon Master. Wie werden XP verteilt, wenn die Gruppe einen Konflikt diplomatisch löst?Wann wird gelevelt? Gleich an Ort und Stelle? Bei der nächsten kurzen oder langen Rast? Zwischen Abenteuern? Bereiten die Spieler das Leveln vor der Sitzung schon vor, oder unterbrecht ihr das Spiel, wenn eine neue Stufe erreicht wird? Erlaubt ihr Talente statt einer Attributerhöhung?
Kampagne
In welcher Welt spielt eure Kampagne? Seid ihr in den Vergessenen Reichen, zieht es euch nach Eberron oder Ravenloft? Spielt ihr in Wildemount oder hat euer Dungeon Master eine komplett eigene Welt erschaffen? Auf welcher Stufe starten eure Charaktere, wie lang wird die Kampagne in etwa dauern, welche Stufe haben die Charaktere am Ende? Gibt es Klassen oder Völker, die nicht gespielt werden dürfen?Wie oft wollt ihr spielen? Einmal die Woche, einmal im Monat? Bei wem finden die Spieleabende statt? Wie handhabt ihr Essen, Snacks und Getränke? Wie geht ihr damit um, wenn ein Spieler plötzlich doch nicht kann? Bekommt er trotzdem XP, um nicht hinter der Gruppe zurückzufallen? Ab wieviel Spielern, die abwesend sind, wird die Runde verschoben?
Charaktere
Wer spielt welche Klasse und welches Volk? Kennen die Charaktere sich vor Beginn des Abenteuers? Wie wollt ihr die Attributspunkte verteilen? Würfeln, Punktekauf oder vorgegebene Zahlen, die zugewiesen werden? Inwieweit spielt die Gesinnung der Charaktere eine Rolle?Sprecht auch miteinander um herauszufinden, welche Ziele am Tisch verfolgt werden. Wollen sie einen gemütlichen Abend mit Freunden verbringen oder lieber so viele Gegner wie möglich töten?
Erlaubt ihr am Tisch Spieler gegen Spieler (PvP)? Dürfen Charaktere gegeneinander kämpfen? Wie sieht es mit Fertigkeitswürfen gegeneinander aus, um beispielsweise den Kämpfer davon zu überzeugen, seine Waffe nicht zu ziehen? Haben die Charaktere Geheimnisse voreinander?
Alkohol und Drogen
Erlaubt ihr Alkohol an eurem Tisch? Wenn ja, gibt es ein Limit (nur "softe" Getränke wie Bier)? Was passiert mit betrunkenen Spielern? Wie geht ihr damit um, wenn jemand bereits betrunken zur Spielerunde erscheint?Gesondert davon würde ich den Gebrauch von Drogen diskutieren. Erlaubt ihr Kiffen in den Pausen, wie handhabt ihr härtere Drogen?
Aus eigener Erfahrung: Über den Tag verteilt Bier zu trinken finde ich akzeptabel, an meinem Tisch ist harter Alkohol aber nicht gern gesehen. Betrunkene Spieler tendieren dazu, laut zu sein, andere zu unterbrechen und nicht richtig zuzuhören. Einzeln ist das schon schwierig zu handhaben (besonders für Nachwuchs-DMs), in Kombination ruinieren betrunkene Spieler allerdings den Spielspass für alle anderen am Tisch.
Sensible Themen und Ängste
Wie brutal werden eure Spiele und wieviel gruselige Detailbeschreibung eines ausgeweideten Ogers verträgt die Runde? Welche Ängste haben die Leute, die am Tisch sitzen? Es wäre mies, Leute mit einer ausgeprägten Spinnenphobie in eine Höhle voller riesiger Spinnen zu werfen. Redet vorher darüber, wenn die Gruppe sich damit besser fühlt gerne auch in Einzelgesprächen, nach denen ihr festlegt, was keinesfalls geht. "Fluch des Strahd" zu spielen, wenn am Tisch Spieler sitzen, die mit explizit sexuellem Inhalt, Missbrauch und gequälten Kindern Probleme haben, wäre eine Idee, die mindestens unterirdisch ist. Im schlimmsten Fall triggert ihr mit euren Beschreibungen für einen anderen Menschen ein Trauma. Als Spielleiter und als Gruppe ist gegenseitige Rücksichtnahme etwas, das nicht zu deutlich vorgelebt werden kann.
Ein brenzligeres Thema, über das ebenfalls gesprochen werden sollte, ist die Freiheit der Charaktere. Die Anzahl an Runden, in denen ich am Tisch sass und mit Spielleitern konfrontiert war, die beschlossen haben, dass es okay ist, meinem Charakter Gewalt anzutun, ist unerfreulich hoch. Bitte, seid nicht der ekelhafte Dungeon Master, der seine Machtfantasie am Tisch ausleben will und so Leute aus einem Hobby vertreibt, das Spass und Freude bringen soll.
Redet über Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierung in eurer Spielwelt. Ihr bestimmt, inwieweit in eurer Kampagne solche Sachen überhaupt ausgespielt werden. Gibt es patriarchalisch und matriarchalisch ausgerichtete Völker? Sind Drow und Orks in eurer Welt böse, oder gibt es Spielraum für individuelle Entscheidungen, statt gleich ein ganzes Volk in eine Schublade zu stecken? Hilft die Gruppe einem gefangenen und versklavten Tiefling, oder ist Sklaverei in der Welt normal?
Ebenfalls wichtig: Romantik im leichten Sinn und Missbrauch am anderen Ende der Skala: Ist Vergewaltigung in der Hintergrundgeschichte eines Charakters okay? Finden Besuche in Bordellen statt? Kommt so etwas ausgespielt in der Kampagne vor? Wird angedeutet und dann die Szene beendet, wenn es soweit kommt? Denkt immer daran, falls ihr euch entscheidet, solche Dinge auszuspielen: Ihr als Dungeon Master spielt solche Szenen mit einzelnen Leuten am Tisch verbal aus. Zieht Grenzen, bevor ihr euch unwohl fühlt.
Redet mit den Spielern auch darüber, dass es im Spiel Zauber gibt, welche die Kontrolle über den eigenen Charakter übernehmen. Versteinert durch den Blick eines Basilisken, Besessenheit durch einen Geist, bezaubert und gedankenkontrolliert durch einen bösen Zauberer sind alles Möglichkeiten, die eintreten können. Sprecht darüber, was davon für die Spieler in Ordnung ist. Manche werden die Herausforderung begrüssen, andere möchten die Kontrolle behalten. Beide Wege sind absolut in Ordnung. Ähnlich halte ich es in meinen Runden mit körperlicher Verstümmelung: Redet mit eurer Gruppe, bevor beispielsweise ein Spieler in einer Falle einen Arm verliert und diesen auch durch den mächtigsten Heilzauber nicht zurückbekommen kann. Nicht jeder kann oder will einen körperlich eingeschränkten Charakter spielen, auch wenn es spannend sein kann, magische oder mechanische Lösungen für solche Fälle zu finden. Greift nicht zu sehr in die Autonomie der Charaktere am Tisch ein.
Wichtig: Selbst wenn ein Spieler in Session Zero erklärt, dass etwas für ihn oder sie in Ordnung ist, im Spiel aber in einer Situation feststellt, dass es doch zuviel ist: Gebt die Möglichkeit, den Tisch zu verlassen, nehmt euch die Freiheit Dinge im Nachinein umzuändern. Als Dungeon Master habt ihr sämtliche Freiheit, das Spiel nach euren Regeln und Wünschen zu gestalten. Nutzt diese Macht, um euren Spielern das bestmögliche Spielerlebnis zu schenken. Das ist eure Gabe.
Wichtiges für den Dungeon Master
Wieviel bereitest du vor, wieviel ist Improvisation? Hälst du dich an die Regeln exakt so, wie sie geschrieben sind, oder gibt es Spielraum? Wie definierst du Aktionen, was fällt alles unter Bonusaktionen? Veränderst du Zauber? Guckst du bei Unsicherheiten die entsprechende Regel direkt nach, oder triffst du eine Entscheidung und korrigierst gegebenenfalls später? Sei offen mit deinen Spielern, höre zu was sie sich wünschen.Wie verteilst du Inspiration? Welche Möglichkeiten haben die Spieler, Inspiration von dir zu erlangen? Wofür kann Inspiration verwendet werden? Darf sie weitergegeben werden?
Würfelst du Initiative für Gegner einzeln oder gruppenweise? Handeln Nichtspielercharaktere (NPCs), oder halten sie sich an die in den entsprechenden Tabellen vorgegebenen Preise? Wie genau funktionieren einzelne Fertigkeitenchecks, wie nimmt man in deinen Spielen einen Heiltrank korrekt ein, wie permanent ist der Tod und wie schafft man es, nicht zu sterben? Je mehr Gedanken du dir im Vorfeld machst, desto klarer ist die Welt für die Spieler, und desto weniger Diskussionen entstehen am Tisch.
Am Ende der Session Zero solltet ihr zwei Dinge nicht vergessen: Ihr sitzt alle am Tisch, um Spass miteinander zu haben und epische Abenteuer zu erleben. Der Dungeon Master erzählt mit euch gemeinsam eine Geschichte und nimmt die Rolle eines Schiedsrichters ein. Er oder sie entscheidet am Ende über die Regeln.
Sicher gibt es noch viel mehr zu besprechen, doch mit den oben genannten Punkten solltet ihr auf dem richtigen Weg sein.
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